Wir kennen viele Wege, um zu Entscheidungen zu gelangen. Im Alltag unserer Zusammenarbeit kommen im Wesentlichen zwei zum Zuge: Der Konsens und der autokratische Einzelentscheid. Doch es gibt eine bessere Lösung: Schnelles Entscheiden unter gleichwertigem Einbezug aller relevanten Stimmen.
Entweder alle sind einverstanden – oder jemand entscheidet alleine. Beides fühlt sich schlecht an, und das zurecht. Beim Versuch im Konsens die beste Lösung für alle zu finden, scheitert es regelmässig an endlosen Diskussionen über Kleinigkeiten. Dabei tritt die eigentliche Frage oft in den Hintergrund. Was die vollständigste aller Antworten hätte werden sollen, endet als fauler Kompromiss, mit dem niemand zufrieden sein kann.
Der Chef*-Entscheid geht demgegenüber schnell, womit wir auch schon am Ende der Liste seiner Vorteile angelangt wären. Auf der Strecke bleiben Mitverantwortung und Engagement. Der schnellen Entscheidung fehlt dadurch die schnelle Umsetzung und damit letztlich in vielen Fällen die Legitimation. Auf das tiefe Wissen der erfahrenen und bestens ausgebildeten Kolleg*en zu verzichten, führt zu schlechten Entscheidungen. Und es entbindet sie von der Verantwortung, die Konsequenzen mitzutragen.
Wann ist eine Entscheidung gut?
Für viele der wichtigsten Fragestellungen, die wir zu entscheiden haben, gibt es keine nachweislich korrekte Antwort. Wir nennen sie komplex. Unser Bauchgefühl entscheidet mit. In der Nachbetrachtung werden einige der so getroffenen Entscheidungen sich als treffender herausstellen, andere weniger. Daraus lernen wir. Wenn Entscheidungen aber Konflikt erzeugen oder Schaden anrichten, sind sie offensichtlich schädlich und somit falsch.
«Intuition ist das Ergebnis jahrelanger Lernerfahrung am Rande der Überforderung»
Prof. Peter Kruse
Alleine zu entscheiden, erweist sich auch unter diesem Gesichtspunkt als schlechte Strategie. Wenn ich alleine in 30% falsch entscheide, sollten wir zu zweit, mathematisch gesehen, nur noch in 9% der Fälle falsch liegen und zu dritt in 3%. Wenn wir unsere Kenntnisse und Erfahrungen bündeln, sinkt die Gefahr markant, ernsthaften Schaden anzurichten. Wir bewegen uns somit eher im Bereich des Lernens.
«Wir können das nicht!»
ImIm Team zu entscheiden ist also besser, trotzdem kann man es mit dem gängigen Konsens-Modell selten allen recht machen. Welche Grundsätze müssen wir also gewährleisten, um erfolgreich eine gemeinsame Entscheidung zu treffen?
- Die Entscheidung darf gemeinsamen Ziele nicht beeinträchtigen
- Sie darf nicht im Widerspruch zu den Werten der Organisation stehen
- Sie darf keine Risiken mit sich bringen, die wir nicht zu tragen bereit sind
UUnd selbstverständlich wollen wir uns damit nicht länger aufhalten, als nötig. Nicht auf der Liste steht, dass alle Beteiligten die vorgeschlagene Lösung als die beste aller möglichen ansehen. Diese Nicht-Bedingung gibt uns einen Hinweis auf die Lösung. Das Verfahren heisst «Konsent-Entscheidung», stammt aus der Soziokratie und ist als Grundprinzip Bestandteil von Sociocracy 3.0, dem Leitfaden für effektive Zusammenarbeit.
Dabei suchen wir bewusst nicht den Applaus unserer Kolleg*en für unsere Idee. Im Konsent zu entscheiden bedeutet, gemeinsam nach möglichen Einwänden zu suchen und diese in den bestehenden Vorschlag einzuarbeiten. Einwände sind dabei begründbare Annahmen, dass eine der drei oben angeführten Anforderungen verletzt werden könnte.
Von «einverstanden, wenn» zu «einverstanden, wenn nicht»
Einwände sind unter diesem Gesichtspunkt keinesfalls als negativ, sondern sogar als Geschenke an die Gruppe aufzufassen, dank derer Schaden abgewendet werden kann. Einmal geäussert, muss das Team den Einwand auf seinen Gehalt hin überprüfen und gegebenenfalls berücksichtigen.
Die Konsent-Entscheidung steht somit für einen Paradigmenwechsel. Wir suchen nicht mehr die optimale Entscheidung, sondern eine Entscheidung, die wir für im Augenblick gut genug halten und dabei für sicher genug, sie auszuprobieren.
Effektives Entscheiden in der Gruppe gelingt folglich dadurch, dass ihre Mitglieder ausgewogene Entscheidungen vorbereiten und gegenseitig Schwachstellen in den Vorschlägen identifizieren. Beide Aspekte stellen hohe Anforderungen an die Beteiligten. Dementsprechend kann der Beginn schwierig und der Lernprozess intensiv sein. nn der Beginn schwierig und der Lernprozess intensiv sein.
Organisatorische Agilität einfach gemacht
Der erhoffte Gewinn für die Organisation lässt den Aufwand jedoch angemessen erscheinen. Denn die eingangs erwähnten Schwachpunkte des Einzelentscheids sowie des Konsens-Entscheids sind beim Konsent-Entscheid kein Thema. Dafür bietet er folgende Chancen:
- Zügig entscheiden
- Einbezug des gesamten verfügbaren Wissens
- Mitverantwortung der Beteiligten
Die kleine Veränderung im Entscheidungsverfahren hat also das Potential, echten Kulturwandel auszulösen. Die so gewonnenen Freiheiten öffnen neue Räume für Innovation, Engagement und Freude in der Arbeit. Und die neu erlangte Handlungsbereitschaft kann sich als wesentlicher Vorteil in der Navigation eines unsicheren und wechselhaften organisatorischen Kontexts erweisen.
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